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PEKINGER KIRCHEN



Am 20. August, nach 40 Tagen im Bett wegen Nierenproblem, stand ich schließlich auf und machte einen großen Spaziergang im Stadtzentrum. Genau nach dem Frühstück und nach Einnahme einer Portion Hormone ging ich von meiner Wohnung in Richtung Bushaltestelle. Am Sonntag ist dort weniger Verkehr als sonst, also setzte ich mich auf die Bank und sog in meine Brust den frühmorgendlichen Smog Pekings ein. In der Nähe warteten einige gutaussehende chinesische Jungs und gut gekleidete Damen geduldig in Schweigen gehüllt. Nahe der Bushaltestelle servierten kleine Geschäfte mit Plastikstühlen und -tischen den Menschen im Freien. Die Leute aßen billige Sojasuppe mit eigenartigem chinesischem Brot. Hunderte von 20-stöckigen Häusern des "Regenbogengartens" gaben uns Schatten und bewahrten uns vor den heißen Strahlen der Morgensonne.

1. Qian Men

In Peking muss man die Busfahrkarte nicht im Bus kaufen. Wenn man eine Plastikkarte hat, muss man sie nur auf den Sensor halten und automatisch bist du der richtige Fahrgast. Ich habe keine Plastikkarte, daher muss ich jedes Mal dem Schaffner erklären, an welcher Haltestelle ich aussteigen will, da die Preise unterschiedlich sind.

Ich kenne einige Orte in Peking, aber ich weiß nicht genau, wie die Haltestellen heißen. Auch ist meine Aussprache so schlecht, dass ich ständig Fehler mache. Es ist für mich sehr verwirrend.

Ich sagte nur shin (Herz), was im Chinesischen Zentrum bedeutet. Nach einer einstündigen Fahrt wollte die Frau, daß ich aussteige, weil das die Haltestelle Qian Men (ausgesprochen tsian), was Eingangspforte (zum Palast) bedeutet...., ihrer Meinung nach wollte ich wie die meisten Ausländer das Museum besichtigen, aber ich erklärte ihr mit Zeichensprache, dass ich meine Fahrt fortsetzen müsse und sie beruhigte sich.

2. St. Joseph auf der Wan Fu Jien

In der Ukraine, vor allem in der Diözese Charkow-Zaporozhe, wird St. Joseph sehr viel verehrt. Besonders wir verehren ihn in Donbass, wo ich zur Zeit als Priester beschäftigt bin. Eine Pfarrei in Doniezk trägt seinen Namen und die zweite in der Großstadt Makeevka. Ich war glücklich, im Hof eine große weiße Statue von St. Joseph mit dem Jesuskind auf seinem Arm zu sehen, ähnlich im Stil wie im Garten von Makeevka.

Es gab keine Mauer um den Hof aber eine schöne symbolische Pforte vor dem Eingang zur Kirche.

Der Weg zur Kirche war schön aus Stein gemacht. Die Mauern der Kirche auch aus Stein.

Drei Kirchtürme mit Kuppeln in pseudo-romanischem Stil. Es ist schwierig, das Alter der Kirche genau zu bestimmen. Meiner Meinung nach 100, vielleicht sogar 20 Jahre. Die Kirche liegt sehr schön an der schönsten Straße der Stadt, wo der Ausgangspunkt für viele Ausflüge zum Tien An Men Platz ist. Da gibt es einen lustigen kleinen Bus, denen im Disneyland vergleichbar. Da sind Kinder, aber auch Erwachsene, die auf diese Art zum Vergnügen fahren.

Die Menschen nahe der Kirche waren nicht sehr daran interessiert da hinein zu gehen.

Viele Bänke bei der Kirche dienen nur zum Ausruhen für viele ältere Menschen oder eben für Touristen.

Sogar einige Europäer benehmen sich so, als kämen sie zu einem Stelldichein und nicht zum Gebet.

Am Eingang einige Bettler mit Aufschriften, womit sie um Unterstützung bitten.

3. Erinnerungen aus der Kindheit

In solchen Augenblicken gerate ich aus mir. Ich beginne nervös zu werden und unzufrieden.

Manchmal in Rom, wenn ich die aus den Büchern wohlbekannten Statuen des Vatikans und die heiligen Bilder sehe, sagte ich schon zu mir, der Vatikan müsse sehr viel eindrucksvoller sein. Er erschien zu einfach. Das gleiche mit Paris. Ich erwartete Notre Dame viel schöner als es tatsächlich war, auch störten die Anzahl von Menschen meine Betrachtungen.

Auch in Peking. Ich mag die Feier. Ministranten: 3 Paare in rotweißer Kleidung. Gabenprozession mit Beteiligung kleiner Kinder, sehr bewundernswert. Weihrauch; zwei Laien sammelten die Kollekte ein, indem sie lange Stangen mit roten Säckchen mit chinesischen Aufschriften benutzten.

Das Volk antwortete sehr schön dem Priester. Auf den schwarzen elektronischen Tafeln sahen die Leute den Text der Antworten und auch die Seitenzahlen der zu singenden Lieder.

Während der Messe nahmen zwei Priester die Beichte der Menschen ab. Es gab eine große Menschenmenge, die bei der heiligen Kommunion die Hostie mit großer Aufmerksamkeit mit der Hand in Empfang nahm. Nach der Messe kamen weitere 30 Menschen nach der Beichte, um Jesus zu empfangen. Die Gesänge waren mir sehr vertraut. Einige gregorianische Motive, sogar einige andere, die wir mit Jugendlichen in Europa singen.

Der Chor bestand aus einer großen Zahl und professionellen Sängern. Ich hatte den Eindruck, in meiner Heimatstadt an einem Feiertag zu sein. Aber etwas störte mich, schwierig zu sagen, was genau dies zu jenem Zeitpunkt war.

4. Blutende Wunde

Zu Beginn meiner Reise nach China sagte ich mir, ich wolle mich anstrengen und die blutende Wunde der Kirche berühren, die künstlich geteilt und verfolgt wird. Auch dachte ich, daß ich wunderbar geheilt werden möge, indem ich diese blutende Wunde berührte. Ja, durch jenen Besuch empfand ich viel Freude. In meinem Geist gab es aber auch Verwirrung. Dann und wann hatte ich den Eindruck, da sei mehr Theater als Gebet. Heilige Messen beginnen um 6:15, 7:00 und 8:00.

Dies ist für einige Menschen zu früh, selbst für Chinesen, wenn man die großen Entfernungen bedenkt, die die Menschen aus manchen Gegenden Beijings zurückzulegen haben. Die Feier am Sonntag muß länger als eine Stunde dauern, die Predigt und die Verkündigungen brauchen ihre Zeit, aber nicht hier.

Besonders verwirrt war ich während einer Trauungszeremonie, in der Musik vom Audiogerät abgespielt und dem jungen Paar applaudiert wurde..., alles künstlich wie in Hollywood-Filmen.

Ja, man muß gerührt sein, diese Menschenmassen zu sehen, die die Messe besuchen, aber die Art und Weise wie die Menschen hier ihre Paare einsegnen hinter geschlossenen Türen und ohne echten Gesang erscheint zu formalistisch.

Ohne Kenntnis der örtlichen Gewohnheiten und weil ich dachte, der Priester könnte Zeit haben nach der Messe, bat ich einen Ortspriester, mir die Beichte abzunehmen. Mit unserem gebrochenen Englisch versuchten wir beide "das Sakrament zu haben"... .

Unglücklicherweise war die ganze Aufmerksamkeit meines jüngeren Kollegen auf die Menschen gerichtet, welche zur Trauung kamen, so ging der Priester mitten während der Beichte, um mit ihnen zu sprechen. Er erklärte ihnen etwas und kam dann zu mir zurück.

Zu selben Zeit stellten einige Arbeiter Blumen auf die Bänke und reinigten den Fußboden.

Man mag denken: Kleinigkeiten, wir müssen glücklich sein, mitten in Beijing eine katholische Kirche zu haben, welche außen sehr schön aussieht, innen einige Reparatur notwendig hat.

5. "Bekenntnis" von St. Joseph

In der Kirche, im Mittelschiff sind zwei Reihen mit je 30 Bänken zu vier Plätzen. Im rechten und linken Seitenschiff zählte ich 16 kleine Bänke ähnlicher Größe. Das bedeutet, dass bei jeder Messfeier etwa 500 Menschen sitzen können.

Bei 3 Messfeiern beten 1.500 Menschen in einer Großstadt von 15 Millionen Einwohnern.

Ich habe niemanden, den ich fragen könnte, aber ich vermute, dies ist eine Kirche der so genannten "Patriotischen Gemeinschaft", die "zwei Herren" dienen muß. Ja, sie haben auch Probleme wie die "Untergrundkirche", aber weil Sie Gehorsam gegenüber der Kommunistischen Partei erklärt haben, sind sie privilegierter.

Wie viele Messfeiern wurden an jenem Tag im Untergrund gefeiert? ... Ich habe keine Vorstellung.

Die Innenmauern, welche man jahrelang nicht gereinigt hatte, machten auf mich den gleichen Eindruck wie die alten und beschädigten und soeben zurückgegebenen Kirchen in der Ukraine und Weißrussland.

Die Fenster sind geschmückt mit farbigem Glas in geometrischen Formen.

Höher als der Tabernakel ist das große Bildnis von St. Joseph durch 40 einfache Lampen beleuchtet.

Das traditionelle Presbyterium (Chor) mit metallenen Chorschranken und einem großen Baldachin auf vier Säulen im Barockstil: ein so genannter "Beichtstuhl" hinter dem Altar.

Auf der linken Seite des Altars die 1 m hohe Herz-Jesu-Statue, auf der rechten Seite die ebenso große Hl. Maria von Lourdes.

Ich sah auch draußen den Tisch mit Bildern vom täglichen Leben der Pfarrei. Kinderkatechese, einige Bilder von der ersten Kommunion, ein Priester bei der Fußwaschung von älteren Personen während der Gründonnerstagsliturgie.

Weit weg sah ich einige andere Gebäude im ähnlichen Stil wie die Kirche, es müssen hier einige Häuser der Pfarrei sein... .

6. Der heilige Erzengel Michael

An diesem Tag wurde ich wirklich glücklich; während eines Spaziergangs in Richtung Hotel Beijing, als ich die schöne Straße Wan Fu Jien genoss, stieß ich auf die Kirche des St. Michael. Ich sah ihre Türme durch das Busfenster, so trugen mich meine Füße intuitiv dorthin, selbst als die schöne Straße zu Ende war.

Nach 20 Minuten Marsch war ich sicher, es sei eine neugotische Kirche, sehr ähnlich derjenigen in Charkow, Stadt in der Ukraine. Auch die gleichen Restaurierungen der Schäden auf dem Turm, die hier wie dort auf die gleiche Art entstanden waren durch das Entfernen der Kreuze.

Auch das große Haus an der Hauptseite der Kirche war so aufgebaut, um die Kirche unsichtbar zu machen.

Ein schöner Eingang mit Treppe im gotischen Stil. Ein kleiner, aber mit Leuten angefüllter Garten.

In der St. Josephskirche kann man allen Altersstufen von Pfarrangehörigen begegnen, hier vielleicht meist Jugendliche. Ich hatte den Eindruck, daß alle Studenten von Beijing hierher zum Beten gekommen seien.

Der junge Priester sprach freundlich mit ihnen auf der Treppe.

Ich beeilte mich, die Kirche vor ihrer Schließung zu sehen, deshalb störte ich den Priester dieses Mal nicht.

Die Kirche sah von außen klein aus, aber im Innern stellte ich fest, daß sie ähnlich groß wie St. Joseph ist und daß auch hier 500 Menschen bei der Sonntagsmesse beten können.

Ich bat jemanden, der Englisch sprach, mir zu erklären, wo ich die Adressen der anderen Kirchen finden könne.

Man sagte mir auch, daß diese Kirche vor 8 Jahren zurückgegeben wurde und daß die örtliche koreanische Diaspora hier einmal in der Woche ihre Treffen habe.

Ich war sehr beeindruckt, daß solch ein kleiner Prozentsatz von koreanischen Katholiken so aktiv ist und die Erlaubnis erhielt, einen Original koreanischen Priester aus Südkorea zu haben.

Ich dachte darüber nach, warum die so zahlreichen im Ausland lebenden Westeuropäer und Amerikaner nicht das gleiche in Anspruch nahmen. Warum die Polen in der Botschaft so passiv sind. Eines Tages werden wir hier Olympische Spiele haben. Unsere Leute würden sehr glücklich sein, einen "eigenen Ort" und einen eigenen Priester in Beijing zu haben .... vielleicht wird die chinesische Regierung solch eine Aktivität genehmigen.

7. Verrückte Ideen

Ich habe das Gefühl, dass China langsam dem gleichen Weg folgt wie andere post-kommunistische Länder.

Ich befürchte auch, dass wir wie in Russland zu spät dran sind. Glaubensfreiheit kam früher als vom Vatikan erwartet und es gab keine ausgebildeten Missionsleute, die dorthin hätten gehen können zu Zeiten, als der religiöse Enthusiasmus auf dem Höhepunkt war.

China hat eigene Kleriker: auf dem Festland, und auch in Taiwan, Singapore und Hongkong.

Man muss sich vor Augen führen, dass es 10 Mal so viele Chinesen wie Russen gibt, deshalb muss die Zahl der hier eines Tages arbeitenden Missionsleute (im Falle der Freiheit) riesig sein.

Im Hinblick auf die polnischen Politiker möchte ich sagen, daß bei Besuchen in Rußland oder der Ukraine das Mitglied der kommunistischen Partei Präsident Kwasniewski niemals von russischen Behörden gestört wurde, wann immer er örtliche Katholiken besuchte.

Auch geschah es in ferner Vergangenheit bei Einladungen der Russen an Charles de Gaulle sowohl nach Moskau und Leningrad. Er versicherte sich zuerst, dass er während seines Besuches an beiden Orten katholische Kirchen aufsuchen und dort beten dürfe. Da gab es die so genannte Französische Kirche in Moskau genau gegenüber dem KGB auf der Malaya Lubyanka Straße. Unglücklicherweise waren alle 20 Kirchen in Leningrad geschlossen, deshalb öffneten sie eine auf dem Kowenski Pereulok und schlossen sie nie wieder. Dies ist auch eine "Französische Kirche", die Hl. Maria von Lourdes.... .

Beide, Charles de Gaulle wie Kwasniewski, bezeugten damit, daß es auch für Politiker eine Prestigefrage ist, in Moskau oder Leningrad eine katholische Kirche zu haben.

Diesen Appell richte ich an das Gewissen katholischer Politiker in Peking (Beijing).

Vielleicht ist es immer noch möglich, in der chinesischen Hauptstadt ein wenig mehr nationale Zentren für pastorale Aktivitäten von Ausländern zu haben als die eine für Koreaner, mit mehr ausländischen Priestern, besonders am Vorabend der Olympischen Spiele, wenn die Zahl der ausländischen Katholiken, welche China besuchen, steigen wird.

Überall in Russland kann man Pfarreien finden, in denen die Hl. Messe auf Polnisch gebetet wird.

In Moskau gibt es eine Kirche, wo der Sonntagsgottesdienst in 7 Sprachen von 7 Priestern gefeiert wird, die aus Spanien, Korea, Armenien, Deutschland usw. stammen. In Charkow kann man eine hl. Messe auf Vietnamesisch besuchen.

Man muß nichts befürchten, man muss nur darüber sprechen und eines Tages wird es eine Lösung für das Problem geben. Es mag geschehen in St. Michael, es mag sein in St. Joseph.... Es gibt keine hl. Messen am Mittag oder Nachmittag, deshalb sind die Kirchen zu diesen Zeiten leer.... . Ich weiß, dass ich für das Versenden eines solchen Appells eines Tages aus China ausgewiesen werde...., aber selbst dann werde ich nicht schweigen, weil dies aus meinem Herzen kommt.

Tien An Men

Vor 15 Jahren, während Gorbatschows Besuch in Peking, demonstrierten örtliche Studenten aus dem kommunistischen Lager, welche in ihm ein Symbol für "Freiheit und Wiederherstellung" sahen, auf dem Platz Tien An Men, der wie der Rote Platz in Moskau voller Symbolik ist.

Panzer töteten Hunderte von ihnen, niemand wurde dafür zur Rechenschaft gezogen, so ist chinesische Freiheit heute.

Über ihr Opfer meditierend nahm ich den Rosenkranz und in einer kleinen Pilgerschaft betete ich innig für "diese unschuldigen und unbefleckten Seelen", damit sie mir bei meinem Aufenthalt hier beistehen. Zweifellos starben sie auch für so jemand wie mich, für meine Freiheit, hier zu leben und sogar zu arbeiten. Für offene Kirchen und leere Gefängnisse; auch wenn sie Jesus nicht gekannt haben sollten, verhielten sie sich wie Er, weshalb ich mich entschloss, ihrer an diesem schönen Tag meines ersten Kirchenbesuchs in Peking ehrend zu gedenken.

Langsam wurde mir bewusst, dass ich immer noch ein kranker Mann bin, deshalb war es Zeit, zu meinem Regenbogen-Garten-Haus zu gelangen ... nächste Woche werde ich zu meinem Pflichtbesuch beim Arzt wieder kommen.



Fr. Jaroslaw Wisniewski - Beijing 25. August 2006

(Übers. Leo Nürnberger, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)