Heimat des Nirgendwo-Mannes
Teil IV: Kirche
Im Seminar traf ich viele freundliche Menschen.
Sehr seltsam, dass einer meiner freundlichen Menschen Rechtsanwalt geworden ist und mir ein Jahr lang in Bialystok als offizieller Vormund (?) gegeben wurde. Seine Frau war zufällig in Skrwilno geboren worden. Sie kümmerten sich um mich nicht nur ein, sondern alle sechs Jahre, die ich im Seminar zubrachte. Sein Haus war in der Sonnigen Siedlung der Pfarrei Sankt Hedwig, der Königin.
Feinde schütteln gegenseitig ihre Hände.
Eine typisch biblische Geschichte.
1. Seminargebäude
Während meiner Seminarzeit schloss ich mit meinen Klassenkameraden enge Freundschaften. Ich besuchte Krzys Bolesta in Niewodnica und Bogus Zieziula in Jurasze in der Nähe von Sidra. Ich war daheim im Haus meines geistlichen Betreuers (Vigilator?) Vater Jacek Tomkiel.
Seine erste Pfarrei in Goniadz wurde mein Lieblingsort und Absteige, wo er mich in den Ferien aufnahm als einen Animateur im christlichen Jugendlager OAZA. Wir erlebten zusammen die Abenteuer in den Bergen bei Kroscienko. Wir sind immer noch etwas distanzierte und verschiedene Menschen, aber wir sind uns nicht fremd.
Ich war zu Hause bei Jurek Rojecki während meiner Studienzeit und nachdem ich Priester geworden war. Er war zweimal in meiner Heimatgemeinde Skrwilno, bei meiner Primiz und bei der Beerdigung meines Vaters. Als er sein Haus reparierte, versprach er mir, dass ich dort eine Missionswohnung haben werde.
2. Kranke Leute
Als Seminaristen besuchten wir einmal wöchentlich kranke Menschen als Pflichtübung, um zu lernen, wie man ältere und kranke Menschen ständig betreut. In der Tat wurden wir auch unterstützt und getröstet, denn sie waren sehr aufmerksam gegenüber unseren Schwierigkeiten beim Studium und unserer öffentlichen Berufung.
Die Kranken in den von mir besuchten Häusern waren so zahlreich, dass es mir schwer fällt sie alle aufzuzählen. Am meisten mochte ich Frau Zofia Zak auf der Wiejska Straße. Da war eine Frau Barbara an Multipler Sklerose erkrankt. Sie versuchte es, im eigenen Haus herumzugehen, aber sie fiel oft hin. Erst war sie sehr misstrauisch, denn sie war an solche Besuche von Seminaristen nicht gewöhnt, aber das änderte sich später.
Ich besuchte auch eine Frau nach einem Gehirnschlag. Sie konnte sich nicht auf ihren Beinen halten, sie schüttelte sich immer, wie langsam tanzende junge Menschen beim Hip Hop, sie war so geduldig und glücklich während dieser Besuche.
Mit Andrzej Kakareko besuchte ich ein Haus, in dem zwei Personen krank waren.
Darek Mateuszuk führte mich in seine Krankheit ein und, nachdem er sich von meiner echten Freundlichkeit Kranken gegenüber vergewissert hatte, lud er mich zu seiner kranken Muter ein, damit wir miteinander beteten.
Auch mein Klassenkamerad Piotr Sokolowski führte mich bei seiner kranken Dame irgendwo in der Nähe der Heilig-Jesu-Kirche ein.
Andere Seminaristen nannten mich den "Austeiler", denn ich war bereit, mit der heiligen Eucharistie zu den Kranken zu gehen, nicht nur am Sonntag, sondern an jedem Tag der Woche, wenn ich frei hatte...
3. Professoren
Ich kam viele Male in P. Chrusciels Haus.
Er war halb taub und blind. Ich wurde für ihn verantwortlich nach Krzysztof Rudzinski; Später halfen mir meine Klassenkameraden bei der Fürsorge für ihn.
Einige Seminartreffen waren in Prof. Pankiewiczs Wohnung. Er hatte keine Geheimnisse. Bücher waren sein ganzer Schatz. Wir nannten ihn Focka wegen der Art wie er ging, wie Pinguine oder andere Schwimmtiere, wenn sie im Schnee gehen.
Er war eine sehr warmherzige Persönlichkeit.
Wenn es im Klassenzimmer heiß war, wurde er sofort schläfrig. Wenn er mitten im Unterricht wieder aufwachte, rieb er sich mit seinen Händen die Augen und setzte seine Vorlesung fort ohne sich über seinen kurzen Schlaf zu schämen.
Rektor Swidziniewski prüfte uns in Psalmen auf Latein.
Wenn ein Student irgendein bestimmtes Wort nicht übersetzen konnte, half er überhaupt nicht, sondern wartete geduldig, bis ihm das Wort einfallen würde, oder bis das Schweigen von 3 oder 5 Minuten lang genug war, um ihm eine Note zwei geben zu können. "Du musst mehr lernen," das war der einzige Kommentar, den der Rektor mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht von sich gab.
Der Rektor hatte einen Hals wie ein Kranich. Sein Kopf bewegte sich auf die gleiche automatische Weise. Er war eine seltsame und starke Persönlichkeit.
Vergleichbare Schwierigkeiten hatten wir bei unseren spirituellen Gesprächen mit Spiritual P. Zukowski. Wir nannten diese Gespräche "scrutinia" [Musterungen]. Sie waren viel zu förmlich, um wirklich spirituell sein zu können.
Bischof Rektor hatte ein feines Lächeln, aber, wenn einer der Seminaristen etwas falsch machte, musste er nach dem "Buchstaben des Gesetzes" bestraft werden.
Stark und süß zugleich war der Seniorrektor Piotrowski. Er war angenehm für Seminaristen, die ihr Bestes unter seiner Aufsicht gaben; die anderen interessierten ihn nicht so sehr.
Ich erfuhr seine Sympathie während der Vorbereitungen zum Schauspiel am Tag der Unbefleckten Empfängnis.
Den Text für das Schauspiel hatte ich gemacht. Die Disziplin unter den Schauspielern war sehr dürftig, also nahm er sich ihrer an... Ich bekam die Zeit, die Kulissen vorzubereiten.
4. Dolistowo und Suchowola
In meiner ersten Pfarrei in Dolistowo war mein erstes Pfarrhaus als Priester ein fast 500 Jahre altes Haus.
Während der Sommerferien lebten in dem Pfarrhaus auch Teilnehmer an Familienfreizeiten. Es gab für sie viele Schlafgelegenheiten im ersten Stock, also nahm ich nur einige Kissen als einzige Möblierung meines Zimmers. Ich hatte das Gefühl, bald in die Mission gehen zu können, daher kaufte ich nichts. Als einzigen Schmuck bat ich einen Schreiner, mir ein Holzkreuz zu machen von der gleichen Größe und Art wie in Assisi. Später sah ich auf dem Friedhof viele alte Kreuze, die die Leute als Abfall bei der alten Kapelle abgestellt hatten, um sie eines Tages zu verbrennen. Ich beschloss, sie zu retten und zu restaurieren. Kinder halfen mir während des Religionsunterrichts, sie nach Hause zu nehmen, sie vom Staub zu reinigen und sie schön anzumalen. Den ganzen Winter waren sie in meinem Zimmer, und im Frühling nahmen wir sie und stellten sie auf als Symbole auf dem Kreuzweg, der mitten im Tal von der Kirche zum Friedhof führte. Die gleiche Dekoration machten die Kinder mit mir zusammen in weiteren zwei Dörfern. Ich gab Religionsunterricht in den Schulen dieser beiden Dörfer. Ein Priester, der aus Zabiele, einem dieser beiden Dörfer stammt, sagte mir, dass diese Kreuze noch 10 Jahre später dort standen.
Es war etwas Neues; die Menschen waren überrascht, aber froh, weil ihre Kinder ein Erlebnis hatten, das sie mochten. Besser, als im Klassenzimmer zu sitzen. Ich war solch ein Priester, ein Hooligan.
Später nahm ich aus dem Pfarrhaus alle alten und beschädigten Statuen und mit der Hilfe von einigen Angehörigen der Pfarrei restaurierte ich sie und machte für sie schöne kleine Kapellen in drei meiner Dörfer für den Monat Mai.
Eine dieser Statuen wurde von Suchowola gestiftet. Da gab es einen weiteren P. Wisniewski, einen älteren Joseph. Ich hatte damals kein Auto und die 10 km nach Suchowola fuhr ich mit dem Fahrrad. Da gab es auch meinen freundlichen Priester P. Jacek Tomkiel und die Patres des sehr berühmten Kaplans der Solidarnosc, Jerzy Popieluszko. Er wurde vom Geheimdienst 1984 ermordet. Ich war glücklich und stolz, sie als Freund der Familie zu besuchen. Ebenso besuchte ich in 10 km westlicher Entfernung den Ort Goniadz meines Klassenkameraden Krzys Bolesta. Andere Klassenkameraden waren in Janow, 30 km südlich, und Nowy Dwor, 30 km östlich.
5. Häuser im Ausland
Von Dolistowo aus organisierte ich einige Busreisen nach Litauen und Weißrussland. Heute braucht man kein Visum für Litauen, aber damals gab es Misstrauen gegen solche Reisen und manche Leute belächelten meine Bemühungen. Besonders schwierig war es zu jener Zeit, Reisen für Kinder zu organisieren.
Es war schon eine Geschichte, Väter davon zu überzeugen, für ihre Kinder Pässe zu besorgen und mit ihnen zur Stadt Monki zu fahren.
In Vilnius waren unsere Gastgeber die Dominikaner von der Heilig-Geist-Pfarrei, die Familien Wankiewicz und Grabowski. In Salcininkai erwartete uns Frau Bucko, die dortige Katechetin im Internat des Waisenhauses.
6. Indura Erinnerungen
In Weißrussland können sich viele polnische Menschen in Grodno und vielen anderen Orten zu Hause fühlen.
Viele Menschen können nicht Polnisch sprechen, aber sie fühlen sich im Herzen als Polen.
Es gibt dort einige orthodoxe Kirchen, d. h. es existiert eine weißrussische Minderheit vor Ort, aber meist geht niemand dort hin.
Katholische Kirchen sind immer voll Menschen polnischer Herkunft. Indura, Mala und Duza Brzostowica, Mosty, Plebanowce, Szczuczyn, Krzemieniec und Wolkowysk.
Viele Pfarreien in der Präfektur Grodno werde ich mit Vergnügen als Heimat bezeichnen.
Eine gewisse Atmosphäre wie zu Mickiewicz und Orzeszkowas Zeiten hängt noch in der Luft.
Es scheinen die Uhren vor 50 oder 100 Jahren stehen geblieben zu sein. Man kann in diesen Pfarrhäusern noch eine große Zahl von Ausgaben der Monatszeitschrift Ritter von der Unbefleckten Empfängnis finden, die vor dem 2. Weltkrieg gedruckt wurden, gerade so wie wenn sie soeben von Niepokalanow gekommen wären.
Die Menschen beten noch immer wie vor dem Konzil mit Freude die täglichen Exequien für die Seelen der Verstorbenen. Mit genau dieser Freude beten sie die Eucharistie an und beten die Litaneien.
Meine Heimatländer
Dank meiner missionarischen Tätigkeiten in Russland erfuhr ich die Freundschaft vieler Armenier, die mir ihre Heimat Georgien zeigten. Freiwillige aus Spanien nahmen mich zu sich nach Hause, wenn ich müde wurde und traurig, um mir etwas Freude und Erholung zu geben. Die gleiche Entspannung erfuhr ich im Haus von einem italienischen Priester in der Lombardei und noch einem deutschen Priester in Schwaben.
Studenten aus Afrika und einigen lateinamerikanischen Ländern in Rostov am Don waren meine Hauptpfarrkinder. Die meisten von ihnen waren für mich mehr als Freunde.
Das Gefühl von Heimat hatte ich bei Koreanern auf Sachalin.
Einige Japaner nahmen mich nach Hause mit, als ich aus Russland ausgewiesen wurde.
Sogar jetzt, während meiner gesundheitlichen Schwierigkeiten, wo ich mich in China aufhalte, habe ich von Zeit zu Zeit das Gefühl daheim zu sein dank einer kleinen katholischen Minderheit, die hier lebt und mich trägt.
F. Jaroslaw Wisniewski
(Dt. Übers.: Leo Nürnberger / 18.01.2007)