MISSIONSWAISE
Ich schreibe so, wie mir mein Herz diktiert und ich hoffe, das der freundliche Empfänger im Text weder offene noch verborgene Abneigung gegen Russland findet, sondern volles Verlieben in diesem Lande und Rückkehrsehnsucht.
Am 13. Januar hat sich der Papst Johannes Paul der II. während des Treffens mit Vertretern von Botschaften aus 170 Staaten an Beachtung katholischer Rechte in Russland, und besonders an Recht zur Rückkehr der verwiesenen Priester, gemahnt. Als einer von 3 polnischen Bürgern, die keinen Kontakt mit ihren Pfarrkindern haben, möchte ich mit einem kurzen Überblick der Ereignisse vom 10-jährigen Aufenthalt in der Fremde an mich erinnern.
Das Spitztor - Abschied vom Vaterland
Zur Fahrt nach Russland habe ich einen Erlass vom Bischof Edward Kisiel am 1. Juni 1992 bekommen. In dieser Zeit dauerten Arbeiten beim Bau der Kapelle in Wroceń in der Pfarre Dolistowo (Podlasie) und die letzten Unterrichten in den Schulen. Man musste noch einen Monat lang in Polen arbeiten.
Meine Gefühle waren verschieden – Dankbarkeit für den Bischof, dass er das mündliche einem Neopresbyter gegebene Versprechen eingehalten hat. Nach gerade erst einem Jahr des Praktikums gingen meine Träume in Erfüllung. Andererseits aber hat mich die Arbeit in Dolistowo so beschäftigt, dass ich keine Worte finden konnte, Leuten zu sagen, dass ich sie verlassen werde.
Am schwierigsten war es aber meiner Mutter zu sagen. Sie hat mir das übel ausgelegt, dass ich nicht nach Litauen oder Weißrussland fahren werde, wie sie erwartet hat. Daher auch habe ich das Telefongespräch unterbrochen, indem ich nur um die Ankunft für meine Sachen gebeten habe. Sie hat mein Vater mit dem Bruder und Nachbarn mitgebracht. Alles hatte genug Platz im Gepäckhalter des großen Fiats: ein Federbett, ein Kissen, Radio, eine Uhr, ein Teekessel. Ich habe mir nur Gitarre und Bücher gelassen, aber das habe ich auch an der Grenze in Klimówka in Stich gelassen, indem ich mich der Hoffnung hingegeben hatte, dass ich sie einmal mitnehme. Von dort hat mich Priester Kulikowski nach Suwałki gefahren. Dann bin ich mit einem Linienbus nach Marianpol, Trok und Wilno gefahren, indem ich Fußpilgergruppe, die gerade in das Spitztor zum Ablass der Skapuliermuttergottes einging, verfolgte. Es war also der 16. Juli. An diesem Tag fing meine 10 – jährige Epopöe an, die mich nach Spuren der nach Sibirien oder Kaukasus Deportierten ganz freiwillig und mit Freude im Herzen zu führen hatte.
Moskau
In Moskau bin ich am nächsten Tag im Schlafwaggon der zweiten Klasse angekommen. Als einziger habe ich das Bett nicht gemacht, weil ich nicht wusste, wie ich es machen sollte und wer Bettzeug verkauft. Das war meine erste Fahrt mit einem sowjetischen Zug und der erste Besuch im Leben in Moskau. Ich begann mit der Besichtigung. Ich hatte in der Tasche 200 Rubel, die ich noch in Wilno gekauft habe, wovon ich 60 Rubel für einen Busausflug, zu dem uns eine Frau durch Megaphon anspornte, in der Stadt ausgegeben habe. Gerade von dieser Frau habe ich erfahren, dass Pożarski und Minin vor fast 400 Jahren aus der Stadt Polen vertrieben haben, wofür sie heute ein Denkmal neben Kreml haben. Sie hat uns auch Kreuze auf vielen Postumenten gezeigt, aus denen ein Jahr früher mehr oder weniger wichtige sowjetische Kaziken im Laufe eines Putsches hinuntergeworfen waren. Gerade sie hat mir den Friedhof Wagańkowski und das Grab von Wysocki gezeigt, und sie hat mir beraten, nach Łubianka zu fahren, weil sich gerade da gegenüber KGB eine katholische Kirche befand. Ich fand ein Taxi, das kostete 100 Rubel, also als ich die Kirche gefunden habe, hatte ich in der Tasche 40 Rubel und eine große Lust, Russland zu erobern, wovon weder der lokale Bischof noch sein Kanzler wusste. Es hat sich erwiesen, dass mein Erlass aus Białystok zwei Monate lang per Post nach Moskau ging, und war in demselben Tag, wie ich mit dem Zug, angekommen: 17.07.1992!!! Der bekannte armenische Humorist sagt: willst du einen Brief nach Ulan – Ude schicken .... fahre ihn selbst. Es war genauso mit mir. Der Erzbischof war im Süden des Landes mit dem ersten seelsorgerischen Besuch in Wołgograd (Stalingrad) und hatte in zwei Tage in Rostow zu sein. Er hat den Kanzler telefonisch gebeten, dass er mir eine Zugfahrkarte kauft, und selbst hatte er sich, mir mit dem Flugzeug anzuschließen.
Rostów an Don
Wir haben uns dort am 20. Juli um 10.00 Uhr morgens getroffen. Kurze Fragen, eine kurze Antwort: willst du hier Pfarrer sein? Ja – habe ich geantwortet und erst am Abend habe ich verstanden, was für ein schmerzlicher Entschluss es gewesen war. Es war der heiße Tag ... über 40 Grad, ein typischer, feuchter Hauch vom Azowski Meer machte zur Qual Bewegungen der in schwarze Soutanen angezogenen Personen. Sie wanderten in Ämtern: Priester Erzbischof, Priester Seweryniak aus Soczi, zwei Kleriker aus Drohiczyn und Grodno und ich – Missionswaise.
Alles passierte in großem Tempo. Urlaubszeit. Im Staatsamt hat man mich als den Pfarrer ein paar mittelmäßigen Beamten, einem Architekten, der den Bau einer neuen Kirche plant, und dem griechisch – orthodoxen Władyka vorgestellt. Um 18.00 Uhr war der feierliche Gottesdienst im ... Landeskundlichen Museum unter Exponaten, welche sich in der im Jahre 1952 zerstörten neugotischen Kirche befanden. Es herrschte eine Figur der Gottesmutter mit abgeschlagenen Händen, und der Pfarrer Erzbischof Kondrusiewicz hat uns mit Tränen in Augen getröstet, dass unsere Hände ihre ersetzen sollten, ihr helfen, Kirche zu bauen. Dann habe ich gesprochen: kurz, still, gestresst. Ich lernte russisch seit langer Zeit, aber den Gottesdienst in dieser Sprache habe ich zum ersten Mal im Leben gefeiert. Ich fühlte mich ein bisschen wie auf Primiz, aber unter den Anwesenden habe ich den gleichen Enthusiasmus nicht gefunden. Unter 100 Personen waren nur 30 Personen Pfarrkinder. Der Rest waren zufällige Touristen, die uns mit solchen Mienen beobachtet haben, als ob sie zu einem Spektakel vom Theater Kabuka kämen. Der Bischof hat Leuten von tragischer Geschichte der Pfarre erzählt und hat dazu angespornt, dass man seit dieser Zeit öfter zum Gottesdienst kommt. Und ich zitterte vor Angst, ob ich Rat wisse und was in Polen gesagt wird, wenn ich kneife und fliehe.
Missionärinnen, Salesjaner u.s.w.
In einen Monat sind Schwester Missionärinnen der Heiligen Familie gekommen, und ich war wieder gestresst. Ich habe in verschiedenen Privathäusern, Studentenheimen und Hotels selbst umhergewandert, und ich habe ständig gedacht: werden diese Schwester wirklich kommen und wo werden sie wohnen? Einen Monat lang haben ich mich überzeugt, dass Pfarrkinder sich nicht eignen, irgendetwas zu beschäftigen. Ich konnte mich praktisch nur auf mich selbst verlassen. Es hat sich erwiesen, dass nette Helfer für Dotationen aus kirchlichen Fonds empfängliche Falschspieler waren. Und Beamten, die dem Bischof viel versprochen haben, waren unbeständig in Erfüllung der Versprechen. Die versprochene Parzelle für den Kirchbau, die im März 1993 nach vielen Abenteuern eingestanden wurde, musste man vielmals verteidigen. Statt einer großen Kirche, von der ich geträumt hatte, ist es mir gelungen, einer Gruppe aus Deutschland bei Montage einer Wanderholzkirche zu helfen. Genau am Tag der Beendigung des Baus der Kirche habe ich meinen Nachfolger (Salesjaner), Priester Edward Mackiewicz vom Bahnhof abgeholt. Er hat einen Erlass mitgebracht, dass er jetzt die Pfarre übernimmt, um ein Salesjanerzentrum und eine große Kathedrale aus meinen Träumen zu bauen. Von nun an war es schon ständig: Priester Edward baute in der Hauptstadt, und ich fuhr von Meer zu Meer, sammelte immer neue Gruppen von versprengten Katholiken aus Nowoczerskassk, Taganrog, Elisty, Batajsk, Leningrad oder Azow. Insgesamt initiierte ich und registrierte mit Gottes Hilfe 13 Pfarren im Laufe von 7 Jahren, wovon Priester Bischof Pickel – der neu ernannte Herrscher in Saratów hat im Jahre 1999 das Dekanat Rostów gegründet. Inzwischen hatte ich Rolle eines Kuckucks, der seine Eier den Karmeliten, Kapuzinern, unterschiebt, weil ich keine Kräfte mehr hatte zu allen Plätzen zu kommen, wo neue Gemeinschaften wie Pilze wuchsen. Eines Tages, als ich in Białystok war, hörte ich einen bissigen Klatsch, dass Bischöfe mit mir ein Problem haben, weil sie nicht zurechtkommen können, Priester auf meine Pfarren zu finden. Diese Bemerkung hat mir Schmerz gemacht, obwohl sie wahrscheinlich freundlich war, und sie verursachte, dass ich über Verlegung nach Sibirien zu denken begann.
Sibirien
Erzbischof Szymecki hat zugestimmt, das ich im Mai 1998 nach Sibirien fahre, und schon im November war ich am Ablass in Usol Syberyjski unter Irkuck. Die Pfarre des Heiligen Rafał Kalinowski und Platz seiner Versetzung. Der Frost unter 30 Grad. Mit dem Bischof Mazur haben wir Winterreifendecken auf dem Markt gesucht und ich war erstaunt, dass Bischof der in der Welt größten Diözese solche Sachen selbst erledigt und dazu noch mich einen jungen, schwerfälligen Priester zum Ablass nach Usol als Fahrer fährt. Es gab viele solche Szenen in Russland und ich konnte mich daran gewöhnen, weil es dasselbe in Moskau bei der Fersman – Strasse in der Bischofsdreibettresidenz gab. Der Kanzler hat mich am ersten Tag da untergebracht, weil der Erzbischof nicht da war. Solch eine Ehre!!! Ein anderes Mal in Azow, auf meiner zerstörten Liege hat der früher erwähnte Klemens Pickiel geschlafen, und er fiel ständig auf den Boden. Für ihn war das eine schlaflose Nacht.
Missionen sind auch riskant und ich war in Nöten. Mein Auto wurde in stützte in einen Abgrund, anderes mal überschlug sich und brannte. Ich verlor Gesundheit und Geld, aber auf seltsame Weise (wie Hiob) gewann ich beides zurück. Als ich einmal eine brennende Fackel wegen der Fehlgasinstallation wurde, verlor ich Haare auf dem Kopf, den Augenbrauen, sogar in der Nase, Augen waren blutrot, aber nach der einen Monat lang dauernden Kur ohne Ärzte, hat sich alles dank den Pfarrkurpfuschern geheilt, und heute gibt es keine Spur der Tragödie, keine Narbe. An weit entfernte Plätze fuhr ich mit der Sibirienbahn, auf Kamczatka jeden Monat mit dem Flugzeug aus Sachalin zwei Jahre lang und nicht alle Flugzeuge waren gut funktionierend. Ich habe gelernt, koreanische Speisen mit Stöckchen zu essen, ein bisschen in dieser Sprache zu lesen und etwas in dieser Sprache zu brummen. Ich danke Gott, dass ich so viele schöne Asiaten kennen lernen konnte, und unter ihnen versprengte Auslandspolen.
Religiöses Extremismus
Ich weiß, dass alles seinen Preis hat. Meine Beweglichkeit und Übereifer wurden von Sicherheitsbehörden beobachtet. Man begann mich zu beobachten. Als ich ganz unerwartet meinen Lebenserfolg hatte - ich habe dem Bau der schönen Kirche, deren Bau vom kranken Priester au den USA angefangen wurde, achtgegeben habe – hat mir der Bischof Mazur gesagt: Jetzt sollst du dich erholen, du siehst müde aus. Du musst Urlaub nehmen! Wir sind beide gefahren. Mein früherer Freund Mackiewicz aus Rostów ist auch mitgefahren und ... leider keiner von uns ist zurückgekommen. Zusammenfassend, wenn es um unsere Vertreibung geht, haben wir alle drei die gleiche Sünde auf dem Gewissen: wir haben große Kirchen gebaut! Für das Regime von Putin war das eine wahre Sünde: religiöses Extremismus, für die Schwester - orthodoxe Kirche ist das Proselytismus!
Nachwort
Ich werde jetzt etwas sagen, was viele Leser am Ende dieses kurzen, 10 Jahre lang dauernden Wanderschaft beschreibenden Berichts wundern wird. Im Jahre 1984 nach Haltung einer Predigt über Gottesmutter aus Fatima in einer Kirche in Nowosybirsk wurde Priester Prälat Świdnicki auf vier Jahre festgesetzt. Er hat das später so kommentiert: „So wirklich ging es nicht um Predigt, sondern um diese schöne Kirche, die ich gebaut habe. Wenn es nötig wäre, könnte ich im Gefängnis länger sitzen. Für solch eine Kirche ist jeder Preis gut. Es war wert.“
Es vergingen schon 4 Monate von meiner Vertreibung aus Russland. Ich will nur Gott für alle Kapellen und Kirchen, die in Russland wachsen, besonders in Rostów, Irkuck und auf Sachalin, danken. In diesem Fall war es auch wert, sich auszusetzen.
Amicus Putin sed multa amica Ecclesia!
Pr. Jaroslaw Wisniewski